2021-04-26 | Interview mit dem Pharmakologen Bernd Mayer

Hallo Herr Professor! Schön, dass du dir für dieses Gespräch Zeit nimmst. Vielleicht möchtest du die Gelegenheit kurz nutzen, und dich unseren Leserinnen und Lesern vorzustellen.

Ich bin seit 1999 Inhaber des Lehrstuhls für Pharmakologie und Toxikologie an der Universität Graz. In der Lehre bin ich vorwiegend für die Ausbildung von Studierenden der Pharmazie in den medizinischen Fächern zuständig. Daneben unterrichte ich auch Philosophie der Naturwissenschaften und betreibe rationale Aufklärung über esoterische Heilverfahren, allen voran Homöopathie. In der Forschung beschäftigen wir uns mit der molekularen Pharmakologie von Herz und Blutgefäßen, wobei der Schwerpunkt auf zellulärer Signalverarbeitung, Entzündung und oxidativem Stress liegt.

In der Dampfer-Szene ist dein Name ja relativ bekannt. Wie ist es zu deiner Berühmtheit gekommen?

Berühmt bin ich allenfalls unter Dampferinnen und Dampfern, die in den sozialen Medien aktiv sind. Von den Dampfern in freier Wildbahn kennt mich kaum jemand. Einmal hat mich bei der Sicherheitskontrolle in einem Flughafen die Beamtin namentlich begrüßt, aber insgesamt ist meine Berühmtheit wohl eher bescheiden.

Bekannt wurde ich durch diverse öffentliche Vorträge und natürlich durch meinen Auftritt im Deutschen Bundestag, bei dem ich das Bananen-Meme in die Welt gesetzt habe. Zuletzt haben wahrscheinlich auch mein Youtube-Kanal "Dampfen statt Rauchen" sowie mein Buch über E-Zigaretten dazu beigetragen, dass ich in der Szene bekannt wurde. Außerdem suche ich - im Unterschied zu vielen anderen, die sich öffentlich über E-Zigaretten äußern - regelmäßigen Kontakt mit Dampferinnen und Dampfern in den sozialen Medien, um deren Einschätzungen und Bedürfnisse besser beurteilen zu können.

Als Verfechter der Ezigarette hat deine Meinung durchaus Gewicht. Wann bist du das erstmals in Kontakt mit einer EZigarette gekommen?

Das war im Februar 2006. Die Geschichte dieser historischen Begegnung erzähle ich in der Einleitung meines Buchs und in einem Youtube-Video, das ich anlässlich des 15-jährigen Jubiliäums dieses Ereignisses hochgeladen habe.

Aus Studien aus England wissen wir heute, dass die Ezigarette bis zu 95 % weniger schädlich ist als normale Zigaretten. Was kannst du uns zu dieser Studie berichten und wie stehst du zu diesem Argument?

Dass Verbrennungsrauch weniger schädlich ist als Nebel, wie er von E-Zigaretten aber auch medizinischen Asthmainhalatoren emittiert wird, sagt einem eigentlich der Hausverstand. Mittlerweile gibt es zahlreiche klinische Studien, die das um Größenordnungen geringere, de facto vernachlässigbare Risiko von E-Zigaretten belegen. So ist beispielsweise das lebenslange Krebsrisiko bei Nutzung von E-Zigaretten mindestens 100-fach niedriger als beim Rauchen.

Häufig wird die Aufrechterhaltung der Nikotinsucht als Argument gegen den Umstieg genannt. Abgesehen vom fragwürdigen Suchtpotential von Nikotin in Abwesenheit von Tabakrauch, ist dabei zu bedenken, dass Raucher nicht an ihrer Abhängigkeit erkranken oder sterben, sondern an der Inhalation krebserregender und anderweitig toxischer Inhaltsstoffe von Verbrennungsrauch.

Eigentlich ging das erste Patent für eine Ezigarette bereits 1963 in den USA ein, die Idee umgesetzt hat dann aber ein Apotheker Namens Hon Lik, 2003 in China. Warum glaubst du hat es so lange gedauert, bis die erste EZigarette auf den Markt kam?

Es gab auch nach dem Patent von Herbert Gilbert 1963 Ansätze zur Entwicklung weniger schädlicher Alternativen zu Tabakzigaretten. So hat die Tabakindustrie in den 1980er und 1990er Jahren diverse Vorläufer der heutigen Tabakerhitzer auf den Markt gebracht, die sich jedoch aus unterschiedlichen Gründen, v.a. aufgrund ihrer Unhandlichkeit und mangelhafter Nikotinfreisetzung, nicht durchgesetzt haben. Die E-Zigarette von Gilbert scheiterte an zu schwacher Leistung, damals waren die heute gebräuchlichen Akkus noch nicht verfügbar.

Worin siehst du den Nutzen einer Ezigarette gegenüber etwa Nicotine-Pouches, die ja auch unter dem Begriff Harm Reduction einzuordnen sind?

Meines Erachtens ist es wichtig, dass Raucher aus einer breiten Palette an Nikotinprodukten mit reduziertem Risiko das für sie am besten geeignete Produkt auswählen können. Vorlieben sind bekanntlich individuell unterschiedlich. Es ist unerheblich, ob man mit E-Zigaretten, Snus, Tabakerhitzern oder Nikotinkaugummis vom Rauchen wegkommt. In allen Fällen hat der Umstieg eine erhebliche Reduktion des Gesundheitsrisikos zur Folge. Ich persönlich schätze an E-Zigaretten die (weitgehende) Aufrechterhaltung des jahrzehntelang konditionierten Verhaltens, also der Gewöhnung an das Rauchritual. Aber das lässt sich keinesfalls generalisieren.

In deiner Arbeit als Pharmakologe hast du das nötige Fachwissen. Wie konntest du dein erlerntes Wissen auf die Ezigarette anwenden oder habt ihr selbst an deiner Uni Untersuchungen zu dem Thema durchgeführt?

Unser Forschungsgebiet ist weit abseits von Tabak/Nikotin. Allerdings kann ich aufgrund meines Backgrounds die - zumeist in fachchinesisch verfassten - wissenschaftlichen Publikationen lesen und deren Ergebnisse interpretieren. Meine eigenen Beiträge zur Forschung über E-Zigaretten und Nikotin sind spärlich. Im Jahr 2013/2014 habe ich die seit über 100 Jahren akzeptierte, für einen Erwachsenen tödliche Nikotindosis als historischen Irrtum des 19. Jahrhunderts entlarvt und deutlich nach oben korrigiert. Experimentell haben wir die Wirkungen von in Liquids gebräuchlichen Aromastoffen auf die Funktion vaskulärer Endothelzellen untersucht und die Ergebnisse 2018 publiziert. Zurzeit vergleichen wir die Effekte von Nikotin in Rauch und Dampf auf die Funktion isolierter Blutgefäße. Erstaunlicherweise wurde diese schlichte Frage bisher nicht experimentell untersucht.

Wir danken dir für das Gespräch und wünschen dir eine gute Zeit, vor allen Dingen beste Gesundheit.

Ich danke dir für die Gelegenheit zu diesem Gespräch.

 

Du willst noch mehr über die Ezigarette erfahren, dann schau dir doch mal das Buch von Bernd Mayer an, in dem er alles Wissenswertets über die Ezigarette zusammen getragen hat.


Die mit einem * markierten Felder sind Pflichtfelder.